Das Kardio-CT

Kardio-CT (Kardio-Computertomographie) – eine umfassende Einführung

Die kardiale Computertomographie (Kardio-CT) ist ein modernes bildgebendes Verfahren der Radiologie, das vor allem in der kardiologischen Diagnostik eingesetzt wird. Sie ermöglicht eine hochauflösende Darstellung des Herzens, der Herzkranzgefäße (Koronararterien) sowie angrenzender Strukturen mittels Röntgentechnik und Kontrastmittelgabe. Ziel ist es, strukturelle und funktionelle Auffälligkeiten frühzeitig, nichtinvasiv und mit hoher Genauigkeit zu erkennen.


1. Grundlagen des Verfahrens

Die Kardio-CT basiert auf der Computertomographie (CT), bei der mittels rotierender Röntgenstrahlen und Detektoren Querschnittsbilder erzeugt werden. Bei der Herz-CT wird das Herz während der Untersuchung durch EKG-gesteuerte Technik (sog. “gating”) in bestimmten Phasen des Herzschlags aufgenommen – meist in der diastolischen Ruhephase. Moderne Geräte verwenden Multidetektor-CT (MDCT) mit 64, 128, 256 oder sogar 320 Zeilen zur hochauflösenden Darstellung in kurzer Zeit.

Zwei Hauptarten des Kardio-CT:

  • Koronar-CT-Angiographie (CCTA): Darstellung der Herzkranzgefäße mit Kontrastmittel zur Detektion von Plaques und Stenosen.
  • Calcium-Scoring (Koronarkalk-Score): Quantifizierung von Kalk in den Koronararterien ohne Kontrastmittel, um das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse abzuschätzen.

2. Indikationen (medizinische Gründe für die Anwendung)

Die wichtigsten Anwendungsbereiche der Kardio-CT sind:

a) Koronare Herzerkrankung (KHK)

  • Abklärung von Brustschmerzen (Angina pectoris), wenn eine koronare Ursache vermutet wird.
  • Ausschluss einer KHK bei intermediärem Risiko (z. B. bei Patienten mit unklarer Symptomatik).
  • Vorteil: Hoher negativer prädiktiver Wert (ein normaler Befund schließt eine relevante KHK mit hoher Wahrscheinlichkeit aus).

b) Plaque-Analyse

  • Beurteilung der Plaquemorphologie (stabil vs. vulnerabel).
  • Identifikation von „nicht verkalkten“ (weichen) Plaques, die im konventionellen CT nicht erkennbar wären.

c) Koronarkalk-Screening (Calcium Scoring)

  • Primärprävention bei asymptomatischen Patienten mit Risikofaktoren.
  • Entscheidungsfindung bei Beginn einer Statintherapie.
  • Quantitative Risikoabschätzung (Agatston-Score).

d) Postoperative und angeborene Herzfehler

  • Beurteilung von Bypässen, Stents oder Anomalien der Koronararterien.
  • Darstellung komplexer Herzanatomie vor einer OP.

e) Beurteilung der Herzhöhlen und Klappen

  • Darstellung der Ventrikelmorphologie, Aneurysmen, Thromben oder Tumoren.
  • Klappenverkalkungen (z. B. Aortenklappenstenose).

3. Kontraindikationen und Risiken

Absolute Kontraindikationen:

  • Schwere Kontrastmittelallergie (jodhaltig).
  • Eingeschränkte Nierenfunktion (GFR < 30 ml/min/1,73 m²).
  • Schwangerschaft (relative Kontraindikation wegen Strahlenbelastung).

Relative Kontraindikationen:

  • Unkontrollierte Herzfrequenz (>70 Schläge/min ohne Betablocker).
  • Arrhythmien (z. B. Vorhofflimmern).
  • Adipositas permagna (technische Begrenzung).

Risiken:

  • Strahlenexposition (zwischen 1–5 mSv, je nach Technik und Fragestellung).
  • Kontrastmittelnephropathie.
  • Allergische Reaktionen auf Kontrastmittel.

Moderne Geräte und Protokolle (z. B. „low-dose“-Technik, iterative Rekonstruktion) haben die Strahlendosis deutlich reduziert.


4. Technische Voraussetzungen und Vorbereitung

  • Herzfrequenzkontrolle: Ziel: <60 bpm (Betablocker evtl. erforderlich).
  • Nitroglycerin-Gabe: Sublingual zur Koronargefäßerweiterung.
  • Nüchternheit: Mind. 4 Stunden vorher, zur Reduktion des Aspirationsrisikos.
  • Einschätzung der Nierenfunktion und Kontrastmittelverträglichkeit.

5. Vorteile gegenüber anderen Verfahren

VerfahrenVorteile der Kardio-CT
KoronarangiographieNichtinvasiv, weniger Komplikationen, schnell verfügbar
Belastungstest (Ergometrie)Anatomische statt funktionelle Darstellung, unabhängig von Belastbarkeit
MRTHöhere Auflösung bei Verkalkung, kürzere Untersuchungszeit
Ultraschall (Echo)Bessere Darstellung der Koronargefäße und Plaques

6. Grenzen der Kardio-CT

  • Funktionelle Beurteilung (z. B. Ischämie) nicht möglich – ggf. ergänzend Stressecho oder Myokardperfusions-SPECT.
  • Stark verkalkte Gefäße oder Bewegung: Artefakte, eingeschränkte Bildqualität.
  • Keine therapeutische Möglichkeit wie bei der invasiven Koronarangiographie (z. B. Stentimplantation).

7. Zukunft und Entwicklungen

  • Künstliche Intelligenz (KI) zur Plaqueanalyse und Risikostratifizierung.
  • Dual-Energy-CT und Photon-Counting-CT: Verbesserte Gewebedifferenzierung bei geringerer Strahlendosis.
  • Integration mit funktioneller Diagnostik: z. B. CT-FFR (fractional flow reserve aus CT-Daten berechnet).

8. Gesundheitspolitische und ökonomische Aspekte

In Deutschland ist die Anwendung der Kardio-CT noch nicht flächendeckend etabliert, auch weil sie im GKV-System (gesetzliche Krankenversicherung) oft nicht regelhaft erstattet wird. Ihre breite Anwendung in der Primärprävention (z. B. Calcium-Scoring) wird weiterhin diskutiert, insbesondere in Hinblick auf Kosten-Nutzen-Verhältnisse und Strahlenexposition im Rahmen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge.


Fazit

Die Kardio-CT ist ein hochmodernes, nichtinvasives Verfahren mit großem Potenzial in der kardiologischen Diagnostik und Risikostratifizierung – besonders bei unklarer Symptomatik oder zur koronaren Ausschlussdiagnostik. Ihre Anwendung sollte indikationsgerecht und unter Berücksichtigung der individuellen Risikofaktoren erfolgen. Eine stärkere Etablierung in der Versorgung könnte zu früherer Diagnosestellung, besserer Prävention und insgesamt niedrigeren kardiovaskulären Ereignisraten führen – vorausgesetzt, sie wird verantwortungsvoll eingesetzt.